Europäischer Gerichtshof: Haftung von YouTube für Urheberrechtsverletzungen – BRG
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16.12.2023

Europäischer Gerichtshof: Haftung von YouTube für Urheberrechtsverletzungen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem EuGH mehrere Fragen zur Haftung des Betreibers der Internet-Videoplattform YouTube für urheberrechtsverletzende Inhalte, die von Dritten hochgeladen werden, vorgelegt.

Der Kläger ist ein Musikproduzent. Im Jahr 1996 schloss er mit der Sängerin Sarah Brightman einen exklusiven Künstlervertrag, der ihn zur Verwertung von Aufnahmen ihrer Auftritte berechtigte. Im November 2008 wurde das Studioalbum „A Winter Symphony“ mit von der Sängerin interpretierten Musikstücken veröffentlicht. Gleichzeitig begann die Künstlerin die Konzerttournee „Symphony Tour“, auf der sie die auf dem Album aufgenommenen Werke präsentierte. Der Kläger behauptet, er habe dieses Album produziert. Die Beklagte zu 3, die YouTube LLC, betreibt die Internetplattform „YouTube“, auf der Nutzer audiovisuelle Beiträge kostenlos einstellen und anderen Internetnutzern zugänglich machen können. Die Beklagte zu 1, die Google Inc. ist Alleingesellschafterin der Beklagten zu 3. Anfang November 2008 wurden auf „YouTube“ Videos mit Musikstücken aus dem Repertoire von Sarah Brightman eingestellt, darunter private Konzertmitschnitte und Musikstücke aus ihren Alben. Der Kläger verfasste ein anwaltliches Schreiben an eine Schwestergesellschaft der Beklagten zu 3, in dem er die Schwestergesellschaft und den Beklagten zu 1 aufforderte, strafbewehrte Erklärungen abzugeben, es künftig zu unterlassen, Tonaufnahmen oder Musikwerke aus seinem Repertoire zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen. Die Schwestergesellschaft leitete das Schreiben an den Beklagten zu 3 weiter. Diese sperrte jedenfalls einen Teil der Videos. Am 19.11.2008 waren die Videos wieder auf „YouTube“ verfügbar.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage in Bezug auf drei Musiktitel stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, Dritten zu gestatten, Tonaufnahmen oder Darbietungen der Künstlerin Sarah Brightman aus dem Studioalbum „A Winter Symphony“ in Bezug auf sieben bezeichnete Musiktitel öffentlich zugänglich zu machen. Außerdem hat es die Beklagten verurteilt, die geforderten Auskünfte über die Nutzer der Plattform zu erteilen, die diese Musiktitel unter Pseudonymen auf das Internetportal hochgeladen haben. Im Übrigen wies es die Klage ab. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagten streben mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage an.

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr und der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt.

Nach Auffassung des BGH stellt sich die Frage, ob der Betreiber einer Internet-Videoplattform, auf der Nutzer Videos mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechteinhaber öffentlich zugänglich machen, eine Vervielfältigungshandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vornimmt, wenn

– er mit der Plattform Werbeeinnahmen erzielt, der Uploadvorgang automatisch und ohne vorherige Sichtung oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,

– der Betreiber eine weltweite, nicht-exklusive und unentgeltliche Lizenz an den Videos für die Dauer der Einstellung des Videos gemäß den Nutzungsbedingungen erhält,

– der Betreiber in den Nutzungsbedingungen und im Rahmen des Uploadvorgangs darauf hinweist, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht hochgeladen werden dürfen,

– der Betreiber stellt Tools zur Verfügung, mit deren Hilfe Rechteinhaber auf die Sperrung von rechtsverletzenden Videos hinwirken können,

– der Betreiber die Suchergebnisse auf der Plattform in Form von Rankings und Inhaltskategorien aufbereitet und registrierten Nutzern eine Übersicht mit empfohlenen Videos auf Basis der von ihnen bereits angesehenen Videos zur Verfügung stellt,

soweit er keine konkrete Kenntnis von der Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte hat oder diese nach Kenntniserlangung unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihnen sperrt.

Mit weiteren Vorfragen möchte der BGH wissen, ob die Tätigkeit des Betreibers einer solchen Internet-Videoplattform in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt und ob sich die tatsächliche Kenntnis der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und die Kenntnis der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen müssen.

Ferner fragt der BGH, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn der Rechteinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, die von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts verwendet wurden, nur dann eine gerichtliche Anordnung erwirken kann, wenn eine solche Verletzung nach einem Hinweis auf eine eindeutige Verletzung erneut erfolgt ist.

Für den Fall, dass die vorstehenden Fragen zu verneinen sind, fragt der BGH schließlich, ob der Betreiber einer Internet-Videoplattform unter den in der ersten Frage beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist und ob die Verpflichtung eines solchen Verletzers zum Schadensersatz gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG ausgeschlossen werden sollte. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG davon abhängig gemacht werden kann, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für bestimmte Rechtsverletzungen nutzen.

Frühere Instanzen

LG Hamburg, Urteil vom 03.09.2010 – 308 O 27/09

OLG Hamburg, Urteil vom 01.07.2015 – 5 U 175/10

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 150/2018 vom 13.09.2018

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