Fristlose Kündigung wegen unbefugten Lesens und Weitergabe von Daten
Liest eine Arbeitnehmerin, die im Rahmen ihrer buchhalterischen Tätigkeit Zugriff auf den PC und das E-Mail-Konto ihres Arbeitgebers hat, unbefugt eine an ihren Vorgesetzten gerichtete E-Mail und fertigt sie eine Kopie des Anhangs einer offensichtlich privaten E-Mail an, die sie an einen Dritten weitergibt, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung.
Dies entschied das Landesarbeitsgericht Köln am 02.11.2021 und hob die gegenteilige Entscheidung des Arbeitsgerichts Aachen vom 22.04.2021 -8 Ca 3432/20- auf.
Die Klägerin ist bei der Arbeitgeberin, einer evangelischen Kirchengemeinde, seit 23 Jahren als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Soweit es für ihre buchhalterischen Aufgaben erforderlich war, hatte sie Zugriff auf den Dienstcomputer des Pfarrers. Auf diesem Dienstrechner nahm die Klägerin eine E-Mail zur Kenntnis, in der der Pfarrer über ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung einer im Kirchenasyl der Kirchengemeinde lebenden Frau informiert wurde. In dem E-Mail-Konto fand sie einen Chatverlauf zwischen dem Pfarrer und der betroffenen Frau als Anhang zu einer privaten E-Mail, die sie auf einem USB-Stick speicherte und eine Woche später anonym an einen ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kirchengemeinde weiterleitete. Die Klägerin erklärte, sie habe die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern wollen. Nachdem die Vorfälle bekannt wurden, kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis fristlos.
In erster Instanz war die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Aachen erfolgreich. Das Gericht stellte zwar fest, dass ihr Verhalten einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung darstellte, hielt dies aber wegen des langen und bisher unbelasteten Arbeitsverhältnisses und der fehlenden Wiederholungsgefahr für unverhältnismäßig.
Die hiergegen gerichtete Klage der Kirchengemeinde war erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht Köln sah das für die Aufgaben des Klägers erforderliche Vertrauensverhältnis als unwiederbringlich zerstört an. Der unbefugte Zugriff auf und die Weitergabe von fremden Daten stelle eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht dar, auch wegen der damit verbundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Dies sei auch nicht durch die vom Kläger vorgetragenen Motive zum Schutz der im Kirchenasyl lebenden Frau und zur Beweissicherung gerechtfertigt. Denn die Klägerin habe mit ihrem Vorgehen keines der genannten Ziele erreichen können. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung überwiege das Interesse der Kirchengemeinde an einer Lösung deutlich das Interesse der Klägerin an einer Beschäftigung. Schon die erstmalige Hinnahme dieser Pflichtverletzung war für die Gemeinde nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit – auch für die Klägerin erkennbar – offensichtlich ausgeschlossen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Quelle: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Köln Nr. 1/2022 vom 03.01.2022