Strafbarkeit einer „Politikerbeleidigung?“
Kaum eine Strafrechtsnorm hat in jüngster Zeit für so heftige Diskussionen gesorgt: Eine mögliche Beleidigung eines Politikers soll nach § 188 StGB zu einem erheblich höheren Strafrahmen führen als eine Beleidigung in anderen Fällen.
Geschützt durch § 188 StGB sollen im politischen Leben des Volkes stehende Personen auf allen Ebenen, also auch Kommunalpolitiker, gegen Beleidigung nach § 185 StGB, üble Nachrede nach § 186 StGB oder Verleumdung nach § 187 StGB. Abschreckend wirkt vor allem der deutlich erhöhte Strafrahmen von bis zu drei Jahren bei Beleidigung und bis zu fünf Jahren bei übler Nachrede und Verleumdung zu Lasten von Politikern.
Voraussetzung für eine qualifizierte Beleidigung nach § 188 StGB ist, dass die Beleidigung geeignet ist, dem Betroffenen die Betätigung in der Öffentlichkeit erheblich zu erschweren. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn die Äußerung geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität, die der Betroffene für sein öffentliches Wirken benötigt, zu erschüttern. Hierzu bedarf es jedoch jeweils konkreter Feststellungen des Tatgerichts.
Das Amtsgericht Schwetzingen, Urteil vom 26.06.2023 – 2 Cs 806 Js 336/23, hat eine in einem Internetforum veröffentlichte Äußerung eines Nutzers zwar als beleidigend, aber nicht als strafbar nach § 188 StGB angesehen, da eine Beleidigung, so die Begründung, im Regelfall nicht als sachliche Kritik aufgefasst werden könne und daher in der Regel nicht geeignet sei, ernsthafte Zweifel an der Integrität oder Lauterkeit der politischen Person zu begründen oder deren politisches Wirken in Frage zu stellen. Es fehle daher vor allem an dem Kriterium der Erheblichkeit einer beleidigenden Äußerung für die Beeinträchtigung der politischen Betätigung.
Konkret ging es in der Entscheidung um folgenden Sachverhalt:
„Am 04.04.2022 veröffentlichte die „A.“ in ihrer Chronik auf Facebook ein öffentliches Posting beinhaltend ein Bild der Abgeordnete des Deutschen Bundestages B. Unter der Überschrift: „B. fordert Tempolimits auf Autobahnen“ hatte das Posting folgenden Inhalt:
„Wegen der Abhängigkeit von russischen Rohstoffen sollen die Deutschen den Fuß vom Gaspedal nehmen. Das schlägt B. vor und bringt ein Tempolimit auf Autobahnen ins Spiel. Die C-Partei will den Kurs nicht unterstützen.“
Am 04.04.2022 um 20.36 Uhr kommentierten Sie öffentlich unter Ihrem Facebook Account K. diesen Beitrag mit den Worten: „Hat ne fette Assel irgendwas zu fordern ???“
Das Strafgericht kam zu folgender Überzeugung:
„Gemäß § 188 Abs. 1 StGB setzt die Tat, um als Straftat zu gelten, voraus, dass sie geeignet ist, das öffentliche Wirken der beleidigten politischen Person erheblich zu erschweren. Die Äußerung „Hat ne fette Assel irgendwas zu fordern“ erfüllt diese Voraussetzung nicht.“
Nach Auffassung des Gerichts ist darauf abzustellen, ob die Äußerung die Integrität oder Lauterkeit der politischen Person in Frage stellt oder das politische Wirken der Person in Zweifel zieht. Zwar gibt es vereinzelt Personen, die für fragwürdige Behauptungen empfänglich sind und daher den politischen Einfluss des Angegriffenen in Frage stellen. Dieser Anteil dürfte jedoch relativ gering sein und wirke sich daher nicht „erheblich“ im Sinne der Vorschrift aus. Die vorliegende Äußerung sei daher nicht geeignet, das öffentliche Wirken der Geschädigten erheblich zu erschweren. Die Äußerung enthielte keine Auseinandersetzung mit politischen Inhalten, sondern fokussiert sich ausschließlich auf das äußere Erscheinungsbild der Geschädigten. Ein vernünftiger Dritter würde daher nicht an der Integrität der Geschädigten zweifeln oder deren Einflussmöglichkeiten in Frage stellen. Bei beleidigenden Inhalten sei dies, so das Gericht, generell schwer vorstellbar. Die Aufnahme des § 185 StGB (Beleidigung) in den Qualifikationstatbestand nach § 188 StGB erscheine daher als missglückt. Allerdings seien Beispiele für üble Nachrede oder Verleumdung denkbar, die das Vertrauen in die Integrität einer Person des öffentlichen Lebens erschüttern und ihr öffentliches Wirken erheblich erschweren, wie beispielsweise die unwahre Verbreitung von sexuellen Missbrauchsvorwürfen. Im Bereich der Beleidigung sind Konstellationen, in denen eine solche Eignung vorläge, hingegen kaum vorstellbar. Dies führt jedoch nicht dazu, dass Personen des öffentlichen Lebens schutzlos wären, da die strafrechtliche Sanktion von beleidigenden Äußerungen über § 185 StGB gewährleistet ist.